Der verantwortungsvolle Umgang mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln

Das Angebot an rezeptfreien oder verschreibungspflichtigen Medikamenten gegen Schlafstörungen ist groß. Man geht davon aus, dass der Anteil an Menschen, die aufgrund von Schlafproblemen Medikamente einnehmen, mit zunehmendem Alter steigt. Besonders Frauen über 65 Jahren scheinen dabei häufiger und auch über einen längeren Zeitraum auf diese Hilfsmittel zurückzugreifen als Männer.

Die Einnahme rezeptfreier und verschreibungspflichtiger Schlafmedikamente sollte generell nur nach einer gründlichen ärztlichen Unter­suchung erfolgen. Wichtig dabei ist, dass weitere Erkrankungen und die regelmäßige Einnahme von Medikamenten abgeklärt werden, auch sollte eine ausführliche Diagnostik der Schlafprobleme stattfinden.

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Faltblatt "Ausgeschlafen im Alter"

Das Faltblatt gibt Tipps für ältere Menschen und deren Angehörige für einen gesunden und erholsamen Schlaf.

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Schlaf- und Beruhigungsmittel richtig einsetzen

Verschreibungspflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel können viele mögliche Nebenwirkungen und bisher kaum untersuchte Langzeiteffekte haben. Deswegen eignen sie sich für die Langzeitbehandlung von Ein- und Durchschlafstörungen nur in bestimmten Fällen, z. B. bei sehr schwerwiegenden chronischen Schlafproblemen. Oft behandeln sie zudem nur die Symptome: Sobald sie abgesetzt werden, treten die Schlafprobleme oft erneut oder sogar stärker auf. Zur unterstützenden Behandlung einer neu auftretenden Insomnie haben die Medikamente sich allerdings gut bewährt; sie nehmen nämlich die Angst vor der Schlaflosigkeit. Diese ist in hohem Maße dafür verantwortlich, dass eine Schlafstörung chronisch wird.

Die Wirksamkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln hängt wesentlich davon ab, wie hoch die Dosierung ist und wie häufig sie eingenommen werden. Generell gilt heute: So kurz und so niedrig dosiert wie möglich. Ein eigenständiges, plötzliches Absetzen des verschriebenen Medika­ments sollte dabei unbedingt vermieden werden, da es den Behandlungserfolg schmälern kann oder zu Entzugssymptomen führt. Daher bitte alle Rückfragen und Abweichungen in der Dosierung mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin besprechen.

Nebenwirkungen von Schlaf- und Beruhigungs­mitteln

Bei älteren Menschen wird der Einsatz von Sedativa (Beruhigungs­mittel / Schlafmittel) aufgrund ihrer Nebenwirkungen generell zurückhaltend empfohlen. Da die meisten Schlaf- und Beruhigungsmittel die Muskeltätigkeit herabsetzen, kann es gerade im höheren Alter leichter zu Stürzen kommen; wegen des eingeschränkten Reaktionsvermögens wiederum können diese schwerwiegend sein. Andererseits kann auch der Schlaf­mangel selbst zu erhöhter Sturzgefahr führen. Hier müssen die Vor- und Nachteile einer medikamentösen Behandlung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Gedächtnis­störungen und Verwirrt­heit sind ebenfalls als unerwünschte Wirkungen bekannt. Diese werden vor allem bei Menschen, die unter Demenz leiden, zusätzlich verstärkt. Bevor also eine Schlafstörung mit Arzneimitteln behandelt wird, stehen zunächst die nicht­medika­men­tösen Verfahren im Vordergrund. Dazu gehören die Aufklärung über mögliche falsche Erwartungen an den Schlaf, verhaltens­therapeutische Techniken bei Schlafstörungen und die Anwendung von Entspannungstechniken.

Gut zu wissen

Schlafhygiene und Verhaltensänderungen bei Schlafstörungen sind langfristig meist wirksamer als Medikamente.

Medikamente und Präparate gegen Schlafstörungen

Naturpräparate (Phytopharmaka)

Zu den bekannten und frei verkäuflichen Wirkstoffen gehören bei den pflanzlichen Mitteln vor allem Präparate aus der Baldrianwurzel (Valerianae radix). Beruhigend sollen auch Hopfen (Lupuli strobulus), Melissenblätter (Melissae folium) oder Passionsblume (meist Passiflora incarnata) wirken. Schlaftees können ebenfalls wirksam sein, vor allem wenn sie als „Abendritual“ genutzt werden; der wärmende Effekt kommt dann hinzu. Obwohl den pflanzlichen Mitteln eine leicht müde machende Wirkung zugeschrieben wird, eignet sich ihr Einsatz nur bei sehr leichten Schlafstörungen. Bezüglich der tatsächlichen Wirksamkeit gibt es bisher keine einheitlichen Ergebnisse. Auch bei pflanzlichen Präparaten sind eventuelle Nebenwirkungen möglich. Daher ist eine Rücksprache mit dem Hausarzt / der Hausärztin in jedem Fall ratsam.

Antihistaminika

Als rezeptfreie Schlaftabletten können bei Schlafstörungen auch die sogenannten Antihistaminika (Doxylamin, Diphenhydramin, rezeptpflichtig: Hydroxizin, Promethazin) genutzt werden. Ursprünglich zur Einnahme gegen allergische Reaktionen entwickelt, macht man sich hier ihre schlafanstoßende Nebenwirkung zu Nutze. Antihistaminika unterdrücken den körpereigenen, wachmachenden Botenstoff Histamin und wirken damit einschlaffördernd. Allerdings wirken sie morgens häufig noch länger nach, so dass ein frischer Start in den Tag mühsam werden kann. Die Wirksamkeit für die Therapie von Schlafbeschwerden konnte belegt werden, es fehlen aber gut kontrollierte Langzeitstudien. Daher ist eine Rücksprache mit dem Hausarzt / der Hausärztin in jedem Fall ratsam.

Melatonin (retardiert)

In Deutschland gilt das schlafanstoßende Melatonin als Arzneimittel, in den USA und in den Niederlanden hingegen ist es ein frei verkäufliches Nahrungsergänzungsmittel. Melatonin stabilisiert den Tag-Nacht-Rhythmus und wird daher gern bei Jetlag nach Flügen über mehrere Zeitzonen hinweg verordnet. Oder auch, wenn die eigene Schlafenszeit generell nach hinten oder vorn verschoben und der Schlaf-Wach-Rhythmus damit aus dem Takt geraten ist. Mit dem Melatonin-Präparat lässt sich damit die eigene innere Uhr „verstellen“. Zur Behandlung von chronischen Ein- und Durchschlafstörungen ist es ab 55 Jahren für eine Dauer von 3 Monaten zugelassen. Aufgrund fehlender Langzeituntersuchungen lassen sich bisher keine eindeutige Angaben zu möglichen Nebenwirkungen, optimaler Dosierung und der Anwendung über einen längeren Zeitraum machen.

Benzodiazepine

Benzodiazepine gelten als hoch wirksame Schlafmedikamente und wurden früher häufig verschrieben. Es handelt sich dabei um angstlösende, zentral muskelentspannende und schlaffördernd wirkende Arzneistoffe. Es gibt langwirkend (> 24 Stunden, z. B. Diazepam, Clonazepam, Flura­zepam, Clobazam), mittelfristig wirkende (5-24 Stunden, z. B. Bromazepan, Lormetazepam, Oxazepam, Flunitrazepam, Brotizolam, Nitrazepam, Temazepam) und kurz wirkende (< 5 Stunden, z. B. Triazolam) Benzodiazepine.

Benzodiazepine haben starke Nebenwirkungen, z. B. Schwindel und Gleichgewichtsstörungen mit Sturzgefahr, vor allem bei den lang wirkenden Substanzen. Daher werden sie als sehr ungünstig für Menschen in höherem Lebensalter angesehen. Auch Benommenheit, verringerte Reak­tions­zeiten und kognitive Schwächen sind als Nebenwirkungen bekannt. Diese können gegebenenfalls dazu führen, dass Fehlinter­pretationen in Richtung einer Demenz getroffen werden. Zudem sind häufigere nächtliche Atemaussetzer möglich, der Tiefschlaf wird reduziert. Bei Benzodia­zepinen besteht eine sehr große Abhängigkeitsgefahr.

Z-Präparate

Als moderne Schlafmittel werden die sogenannten „Z-Präparate“ (Zopiclon, Zolpidem Zaleplon) verschrieben. Es handelt sich dabei um sogenannte „Benzodiazepinrezeptoragonisten“: Das heißt, ähnlich wie die Benzodiazepine wirken sie emotional entspannend und beruhigend, durch ihre kürzere Halbwertszeit im Köper allerdings mit deutlich weniger Nebenwirkungen. Z-Präparate haben den Vorteil, dass sie weniger abhängig machen als Benzodiazepine. Für die Behandlung der Insomnie wird eine Einnahmedauer von maximal 4 Wochen empfohlen. Auch hier fehlen bisher Langzeitstudien.

Antidepressiva

Bei der Verschreibung von Antidepressiva (z. B. Doxepin, Amitriptylin, Trimipramin, Mirtazapin, Trazodon, Adomelatin) – entwickelt zur Behand­lung psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Unruhe­zuständen – nutzt man die müde machende Komponente der Wirkstoffe zur Behandlung von Ein- und Durch­schlaf­störungen. Sie werden dabei vor allem für Patienten mit zusätzlichen depressiven Episoden empfoh­len, da ernste Neben­wirkungen möglich sind. Lediglich der Wirkstoff Doxepin ist speziell für die Behand­lung von Schlaf­störungen zugelassen. Die Dosierung der Anti­depressiva ist dabei generell deutlich niedriger als bei der Behandlung von Depressionen.

Antipsychotika

Antipsychotika (z. B. Melperon, Pipamperon, Quetiapin, Olanzapin, Prothipendyl, Chlorprothixen, Levomepromazin) dienen zur Behandlung von Verwirrtheitszuständen und dämpfen Unruhe- und Erregungszustände. Sie werden auch für eine kurzfristige Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt, allerdings sind vielfältige Nebenwirkungen möglich. Die Wirkstoffe Melperon und Pipamperon sind für ältere Menschen zur alleinigen Behandlung einer Schlafstörung zugelassen. Auch für die Gruppe der Antipsychotika gibt es keine ausreichenden Untersuchungsergebnisse, die eine längerfristige Einnahme gegen Schlafstörungen rechtfertigen könnten.

L-Tryptophan

L-Tryptophan ist ein Nahrungsergänzungsmittel und gehört nicht zur Gruppe der Medikamente. Bei der frei verkäuflichen Substanz handelt es sich um einen Stoffwechselvorläufer des Hormons Serotonin; sie hat eine nachweisbar schlafanstoßende Wirkung. L-Tryptophan kann daher bei leichten Schlafstörungen erfolgreich eingesetzt werden. Als mögliche Nebenwirkungen können Schwindel, Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit und nachwirkende Müdigkeit auftreten.

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Die Webseite der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. informiert über Hintergründe, Risiken, besonders gefährdete Personengruppen und über die Medikamente, die abhängig machen können.

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