Kriterium „Mulitplikatorenkonzept“

Multiplikatorinnen oder Multiplikatoren können Personen aus unterschiedlichen Berufsgruppen oder Institutionen sowie Angehörige der Zielgruppe selbst sein. Als sogenannte „Schlüsselpersonen“ haben sie einen guten Zugang zur Zielgruppe, erhöhen die Glaubwürdigkeit von Botschaften und können als Vorbild wirken.

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Bedeutung des Multiplikatorenkonzepts

Ein Multiplikatorenkonzept legt fest, welche Personen, Personengruppen oder Institutionen mit welcher Methodik systematisch in die Umsetzung einer Maßnahme eingebunden und für diese Aufgabe qualifiziert werden. Multiplikatorinnen oder Multiplikatoren geben Informationen zu einem Angebot weiter oder unterstützen die Zielgruppe darin, ein Angebot wahrzunehmen. Nach einer entsprechenden Qualifizierung können sie auch selbst Inhalte vermitteln, Kurse durchführen oder Gruppen anleiten. Eine hohe Akzeptanz der Multiplikatorin oder des Multiplikators seitens der Zielgruppe fördert die zielgruppengerechte Weitergabe von Informationen. Für die Ausführung einer solchen Tätigkeit sind eine hohe Motivation und eine qualitätsgesicherte Schulung und Begleitung wichtig. Beim Multiplikatorenkonzept geht es nicht nur um die Verbreitung präventiver oder gesundheitsförderlicher Botschaften, sondern auch um eine Verstärkung ihrer Wirkung.

Für die Ausübung einer Multiplikatorentätigkeit sind Personen besonders geeignet, die eine bestimmte Funktion, Rolle, Sprachkompetenz oder eine besondere Glaubwürdigkeit innerhalb einer Zielgruppe haben. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren können sein:

  •  Personen mit beruflichem Gesundheitsbezug (z. B. Mitarbeitende in Haus- und Facharztpraxen, in Apotheken; ambulante und stationäre Therapeutinnen und Therapeuten; Haupt- oder Ehrenamtliche von ambulanten oder stationären Senioreneinrichtungen)
  • Personen aus einer (informellen) Gemeinschaft oder Community im Quartier, Nachbarinnen und Nachbarn
  • Besuchsdienste
  • Mitarbeitende aus Vereinen, Verbänden oder kirchlichen Einrichtungen
  • Mitarbeitende von Wohnungsbaugesellschaften, z. B. Hausmeisterinnen und Hausmeister
  • Mitarbeitende von lokalen Geschäften und Dienstleistungsunternehmen
  • Mitarbeitende des Bildungs- und Sozialwesens

Erfahrungen

Markus Runge vom Nachbarschaftshaus Urbanstraße e. V. in Berlin berichtet, wie es im Rahmen des Netzwerkes „Für mehr Teilhabe älterer Menschen in Kreuzberg“ gelingt, einen besseren Zugang zu älteren Menschen zu gewinnen: „Eine gute Strategie, uns Zugangswege zu eröffnen, ist der Weg über Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Krankengymnastinnen und -gymnasten, die oft näher dran sind. Sie kennen die Personen mit Namen und ihre Geschichten und sollen im Grunde auch Erstansprechpartnerinnen und -partner sein, wenn diese Personen nicht mehr zu uns ins Nachbarschaftshaus kommen.“
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Umsetzungsstufen des Multiplikatorenkonzepts

Stufe 1: Gewinnung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Die Mitarbeitenden sprechen potentielle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren an und bitten sie, die angestrebten Ziele und Maßnahmen zu unterstützen.

Beispiel Stufe 1: Bewegungsförderung und Sturzprävention in Einrichtungen der Seniorenarbeit
Eine Krankenkasse möchte Ehrenamtliche und Fachkräfte aus der Seniorenarbeit für das Thema „Bewegung und Sturzprävention“ im Alter sensibilisieren. Sie gibt Informationsmaterialien an die Mitarbeitenden in Nachbarschaftshäusern, Stadtteilzentren, Mehrgenerationenhäusern und anderen Einrichtungen der Seniorenarbeit weiter und bittet sie, die Materialien während der Veranstaltungen zu verteilen und auf die Bedeutung des Themas hinzuweisen.


Erfahrungen Stufe 1
Verena Kupilas vom Berliner Institut für settingorientierte Gesundheitsförderung berichtet, welche Faktoren sich bei der Gewinnung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Ausbildung zum „Kiezsportübungsleiter“ als hilfreich erwiesen haben: „Wir versuchen die Zielgruppe, die an der Schulung teilnehmen kann, möglichst offen zu gestalten. Jeder, der sich selbst gerne bewegt oder bewegen möchte und sich grundsätzlich zutraut, eine Gruppe anzuleiten, kann mitmachen. Interesse an anderen Menschen, eine gewisse Kontaktfreudigkeit und die Begeisterung für Bewegung sind gute Voraussetzungen. Am besten lassen sich die Teilnehmenden über lokale Einrichtungen gewinnen, denn da hat bereits eine Vorauswahl hinsichtlich der Eignung stattgefunden und die Unterstützung der Einrichtung ist von vorneherein gegeben.“
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Ursula Werner von Treffpunkt 50plus betont, wie stark die motivierende Wirkung des eigenen Interesses von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Zielgruppe sein kann: „Gerade bei dem Thema Gesundheit gibt es viele unterschiedliche Ansichten darüber, was gesund ist und was nicht. Wenn die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Aspekte des Themas für sich selbst als wertvoll erkennen, ist die Motivation, diese Informationen weiterzugeben, größer. Das gilt nicht nur für fachliche Informationen zum Alter, sondern auch für praktische Tipps, z. B. zu Bewegungsübungen, die sie selbst als hilfreich erleben.“
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Stufe 2: Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden auf Grundlage eines Schulungskonzepts gezielt fortgebildet. Die Schulung gewährleistet, dass sie mit den Zielen, Maßnahmen und Problemen vertraut sind, um die Bildungsarbeit so gut wie möglich unterstützen zu können.

Beispiel Stufe 2: Bewegungsförderung und Sturzprävention
Mitarbeitende aus der Seniorenarbeit sollen als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult werden, um Wissen rund um das Thema Sturzprävention und Bewegungsförderung an ältere Menschen zu vermitteln. Gefördert von einer Krankenkasse, schult ein Landessportbund Interessierte aus dem Bereich der Seniorenarbeit und vermittelt dabei neben fachlichen Informationen auch praktische Kompetenzen (z. B. zu altersspezifischen Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung). Die Projekte zum Thema Sturzprävention und Bewegungsförderung können anschließend durch die Mitarbeitenden in der Seniorenarbeit als geschulte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erheblich unterstützt werden.


Erfahrungen Stufe 2
Von einigen dieser formalen Bedingungen einer erfolgreichen Multiplikatorenschulung berichtet Anna Hindemith aus dem AWO Demenz-Servicezentrum NRW für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte: „Für die Vorbereitung der Schulung haben wir uns ein halbes Jahr Zeit genommen. Angefangen von der Erstellung der Arbeitshilfen oder der Gestaltung von Flyern bis hin zu Namensschildern. Für die Teilnehmenden war der Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Wegbeschreibung zum Veranstaltungsort sehr wichtig. Und es ist für ihre Planung hilfreich, zu Beginn einen Überblick über den Stundenplan, die Pausen und die Verpflegungsangebote zu liefern. Für die Teilnehmenden, die von weiter her kamen, konnten wir außerdem Übernachtungsplätze zur Verfügung stellen.“
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Stufe 3: Systemische Fortbildungen und Betreuung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden in regelmäßigen Abständen geschult und kontinuierlich betreut. Es sollte gewährleistet sein, dass die Materialien und Handbücher ständig aktualisiert werden und auftretende Probleme bei der Arbeit schnell erkannt und gelöst werden können.

Beispiel Stufe 3: Bewegungsförderung und Sturzprävention in Einrichtungen der Seniorenarbeit
Die zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Bewegungsförderung und Sturzprävention ausgebildeten Mitarbeitenden der Seniorenarbeit (vgl. Stufe 2) erhalten regelmäßig Gelegenheit zum Austausch über ihre Erfahrungen. Hierfür stehen die fachlichen Ansprechpartnerinnen und -partner des Landessportbundes zur Verfügung. Sie bieten regelmäßige Auffrischungsschulungen und Rat bei auftretenden Problemen an. Für den kollegialen Austausch wird ein informeller, einrichtungsübergreifender „Qualitätszirkel der Seniorenarbeit“ eingerichtet, der sich in regelmäßigen Abständen trifft.


Erfahrungen Stufe 3
Ina Friedmann, Sozialplanerin im Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart, unterstreicht diese Aspekte bei ihrer Schilderung der Konzeption einer Multiplikatorenschulung für Mitarbeitende von Begegnungsstätten: „Bei der Planung haben wir Leitungen der Begegnungsstätten einbezogen, um relevante Themen und formale Bedingungen für die vorgesehenen Schulungen zu besprechen.Die Rückmeldungen ergaben, dass eine Kombination aus theoretischem Input und Praxis gut angenommen wird. Es wurde deutlich, dass die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrem Arbeitsalltag wenig Zeit haben, Fachliteratur zu lesen oder sich neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Thema anzueignen. Daher fanden sie eine Aufbereitung aktueller Forschungsergebnisse immer sehr spannend. Gleichermaßen wichtig war der Bezug zur Praxis. Das Vorstellen von Praxisbeispielen förderte den Transfer auf die eigene Arbeit. Außerdem war die Möglichkeit des informellen Austausches wichtig, um sich über die gemeinsame Arbeit austauschen zu können.“
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Stufe 4: Systemische Evaluation der Arbeit und Anpassung des Mulitplikatorenkonzepts

Die Arbeit der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wird kontinuierlich und systematisch durch die Mitarbeitenden des Projektes evaluiert, um eine fortlaufende Anpassung und Verbesserung der Schulungs- und Unterstützungsangebote zu gewährleisten. Die im Rahmen der Evaluation erhaltenen Rückmeldungen ermöglichen fortlaufende Projektanpassungen, wenn sie nötig sind.

Beispiel Stufe 4: Bewegungsförderung und Sturzpräventionen in Einrichtungen der Seniorenarbeit
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer (Fach-)Hochschule begleiten das Multiplikatorenkonzept zur Bewegungsförderung und Sturzprävention in der Seniorenarbeit (vgl. vorhergehende Stufen). Sie stellen die Erfahrungen und Rückmeldungen der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (hier: Mitarbeitende der Seniorenarbeit) sowie Fachkräfte des Landessportbundes zusammen und moderieren einen gemeinsamen Entwicklungsprozess für die Fortschreibung des Multiplikatorenkonzeptes. Hierbei werden neben den fachlichen Inhalten die Anforderungen an die Mitarbeitenden der Seniorenarbeit und ihre Kompetenzen als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren diskutiert.

Good Practice-Beispiel

„Gesund und fit 50+“ in Freiburg
Das Projekt „Gesund und fit 50+“ entstand in Kooperation der Quartiersarbeit Weingarten (Stadt Freiburg) mit dem örtlichen Sportverein und wurde gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern eines nach Sanierung wieder neu bezogenen Hochhauses entwickelt. Durch soziale Begleitmaßnahmen, die der gesamten Nachbarschaft zur Verfügung stehen, zielt das Projekt „Gesund und fit 50+“ darauf ab, eine gute Nachbarschaft und die Bewegung von Jung und Alt zu fördern. Im Rahmen des Projektes wurden jüngere Menschen, insbesondere mit Migrationshintergrund, angesprochen und durch Fachkräfte zu Sportmentorinnen und Sportmentoren weitergebildet. Geschult wurden verschiedene Sport- und Bewegungsarten, die im Haus und im Umfeld angeboten werden können. Die angehenden Sportmentorinnen und Sportmentoren suchen sich eine Disziplin aus, um ein eigenständiges Angebot zu entwickeln und einen Kurs durchzuführen. Dabei werden sie fachlich unterstützt. Anschließend absolvieren die Teilnehmenden ein betreutes Praktikum, in dem sie Kurse eigenständig durchführen, erste Erfahrungen sammeln und fachliche Rückmeldung erhalten.
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Hinweis

Weitere anschauliche Erfahrungen für das Multiplikatorenkonzept dokumentieren sich in den Projekten, die vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit bereits als Good Practice-Projekte ausgezeichnet wurden. Beispiele können über die Projektdatenbank recherchiert und abgerufen werden.

Weitere Kriterien