Bei Silbernetz finden ältere Menschen mit Einsamkeits­gefühlen ein offenes Ohr – anonym und kostenfrei am Telefon. Für Anrufende, die sich einen tiefergehenden Kontakt zu einer festen Person wünschen, sind die Silbernetz-Freund­schaften gedacht. Hier werden interessierte Ältere mit Ehren­amtlichen vernetzt. Auf Basis ausführlicher Gespräche zu den Wünschen an die Freund­schaft bringt Silbernetz zueinander passende Menschen zusammen. Die Silberfreund*innen führen einmal pro Woche ein persönliches Telefon­gespräch - vertraulich über eine besondere Schaltung bei Silbernetz, so dass die Ruf­num­mern gegenseitig nicht einsehbar sind.

Die 81-jährige Seniorin Margarete B. und ihre ehrenamtliche Telefonfreundin Ulrike G. (48) [beide anonymisiert, Anm. der Redaktion] berichten über Hintergründe und Erfahrungen ihrer Telefonfreundschaft.

(Veröffentlichung des Interviews: Juli 2022)

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1. Wann und wie sind Sie auf Silbernetz aufmerksam geworden und haben den ersten Kontakt gesucht? Hat die Anonymität der Hotline Ihnen den Zugang erleichtert?

Margarete B.:Das war vor etwas über drei Jahren. Da gab es einen Bericht in der Abendschau im rbb [Rundfunk Berlin-Brandenburg, Anm. der Redaktion], die gucke ich immer. Elke Schilling [die Initiatorin von Silbernetz e. V., Anm. der Redak­tion] sprach ein paar Worte und nannte auch die Telefon­nummer des Silbertelefons. Die habe ich mir sofort notiert. Nach ein paar Tagen habe ich dort angerufen und dann bald die Ulrike als Telefon­partnerin bekommen. Wir telefonieren jetzt schon seit drei Jahren jede Woche.Das Anony­me bei Silbernetz ist schon sehr gut. Nur wenn die Ulrike Geburtstag hat, kann ich ihr leider nicht gratulieren. Da rufe ich dann immer bei Silber­netz an und bitte, dass sie ihr meine Glückwünsche ausrichten.

2. Wie sind Sie auf Silbernetz aufmerksam geworden und was war der Anlass für Sie, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Ulrike G.: Das war 2018 als meine Oma starb. Sie war in einem Altenpflegeheim und ich fand es dort immer ganz schrecklich. Ich hatte das Gefühl, die Menschen warteten nur auf Besuch. Da habe ich gedacht, es muss doch etwas geben, das ich tun kann, obwohl ich berufstätig bin und wenig Zeit habe. Dann habe ich gegoogelt und bin auf Silbernetz gestoßen.

3. Wie können wir uns das konkret mit Ihrer Telefonfreundschaft vorstellen: Wie sind Sie beide zueinandergekommen? Wie genau gestaltet sich Ihre Freundschaft?

Margarete B.: Wir wurden anonym über Silbernetz vermittelt: Einige Zeit nach meiner Anfrage habe ich von Silber­netz die Information erhalten, dass eine passende Telefonfreundin für mich gefunden wurde und der erste Telefontermin wurde mit mir abgestimmt. Ulrike rief dann am vereinbarten Tag an. Wir harmonieren ganz prima. Einmal in der Woche – immer montags nach der Arbeit – ruft Ulrike mich an. Wir reden querbeet, über alle Themen. Ich bin ja schon 81 Jahre alt, unternehme aber noch viel, zum Beispiel gehe ich zum Bingo spielen und mache Tages­fahrten. Ich kann der Ulrike das alles erzählen, sie kann sich ja nicht wehren [lacht, Anmerkung der Redaktion]. Das meine ich natürlich im Scherz, wir lachen ganz viel. Ulrike findet das gut und sagt „Zum Glück reden Sie nicht über den Blutdruck“. Sie kennt auch schon meine Bekannten und fragt dann, „Was macht denn die Vera?“ und so weiter. Wir haben eine richtige Freund­schaft, sind aber immer noch per Sie. Das hat sich so ergeben. Ulrike erzählt mir auch von ihrer Arbeit und ihren Hobbies. Sie fährt gerne Auto und Motor­rad, außerdem ist sie sehr sportlich. Und wir reden über ihren kleinen Hamster.

4. Warum ist Ihnen das Angebot der Telefonfreundschaft so wichtig? Welchen Mehrwert sehen Sie darin – für sich persönlich, die älteren Menschen und ggf. auch gesamtgesellschaftlich?

Ulrike G.: Dass die Freundschaft telefonisch ist, finde ich sehr praktisch. Eigentlich telefo­nieren wir immer montags. Wenn ich da mal nicht kann, verabreden wir uns eben für Dienstag. Das ist ideal. Frau B. sagt immer begeistert, dass sie bei mir ihren „ganzen Müll abladen kann“: erzählen, was sie die Woche über gemacht hat und worüber sie sich geärgert hat. Sie über­treibt natürlich und meistens ist es echt lustig. Das hängt jedoch sehr von der Telefon­partnerin ab. Ich habe mich mit anderen Silbernetz-Freundinnen ausge­tauscht und auch von ganz anderen Fällen gehört. Menschen, die sehr stark isoliert sind, unter schlimmen Krankheiten leiden und für die Silber­netz tatsächlich der einzige Kontakt nach außen ist. So lebensfroh wie Frau B. sind nicht alle. Wenn jeder einsame Mensch zumindest einen verläss­lichen Telefon­freund oder eine -freundin hätte, sähe die Welt ganz anders aus.

5. Gibt es Faktoren, die dazu beitragen, dass Sie auch weiterhin ehrenamtlich als Silberfreund*in tätig sind?

Ulrike G.: Ich mache das so sehr gerne. Ich brauche kein Geld, keine weiteren Treffen. Mit Frau B. kann es einfach so weiter­laufen. Alles ist in bester Ordnung.

6. Was hat sich durch Silbernetz für Sie persönlich verändert?

Margarete B.: Die Montage sind jetzt anders: Schon nachmittags freue ich mich auf Ulrikes Anruf. Ich bin schon mit 60 in Rente gegangen, damals habe ich mir meine Aktivi­täten selbst gesucht. Ich habe dann ehren­amtlich gearbeitet und bin in Pflege­heime gegangen. Die Tätigkeit habe ich aber vor einigen Jahren aufgegeben. Das hat mir viel gegeben, etwas Gutes zu tun. Und jetzt bekomme ich mit der Telefon­­freundschaft etwas zurück. 

7. Einmal in 3 Sätzen zusammengefasst, wieso ist Silbernetz Ihrer Meinung nach so wichtig und wem würden Sie es empfehlen?

Margarete B.: Ich wohne in einem Senioren­wohnhaus mit über 100 Einheiten und ich habe den Nachbarinnen und Nachbarn lang und breit von Silber­netz erzählt. Das ist für alle was, die sich für eine Telefonfreundschaft interessieren.

8. Was würden Sie denen mit auf den Weg geben, die sich selbst engagieren wollen, aber noch zögern?

Ulrike G.: Ich würde betonen, dass es sicher ist. Da bei Silbernetz alles anonym ist und man sich nicht trifft, braucht man keine Angst haben, aus dem Privat­leben herausgerissen zu werden. Man kann helfen, in dem besprochenen Maß, es ist aber ausge­schlossen, dass man zum Beispiel in der Nacht von seiner Telefon­partnerin angerufen wird.

Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

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